
Sich nach einer recht langen Schreibpause wieder zu motivieren, etwas zu Papier oder besser auf den Bildschirm zu bringen, ist gar nicht so einfach. Vorallem dann, wenn in der Zwischenzeit recht viel passiert ist, und man nicht so recht weiß, wo und wie man eigentlich anfangen soll.
Kapitel 1: Brauereikunst.
Nach der Zeit allein am East Cape war ich ganz froh, in Gisborne bei strahlend blauem Himmel im Backpackers mit einem kühlen Bier von einer Gruppe Menschen empfangen zu werden. Die Kontaktaufnahme ging schnell: Victor hatte Geburtstag, auf der Dachterrasse ließ es sich gut sitzen und mit meinen 29 war ich zur Abwechslung mal nicht die Älteste. In den nächsten Tagen folgten kostenlose Ciderverkostung, Bierverkostung, Samstagsmarkt mit allerlei Regionalem und Mini-Bluesfestival.
Am Sonntag ging es dann mit Victor und seinem Surfbrett Richtung Napier. Auf halber Strecke machten wir Rast: Die Mahia Peninsula lud mit ihren nahezu weißen und wilden Stränden an einem Sonntag nur so zum Faulenzen ein. Am Abend ging’s zu Victors letzten WWOOFING-Stelle, wo uns Hausherr Bob mit allerlei Köstlichkeiten und selbstgebrautem Bier versorgte.






Kapitel 2: Sommer am Strand.
In Napier, einer der am besten erhaltenen Art déco Städten weltweit, entdeckte ich zum ersten Mal das kulturelle Neuseeland: Architektur, Kunst, Lifestyle. Auch wenn der Strand nicht der schönste des Landes ist (Steine so weit das Auge reicht), lädt er trotzdem zum Spazierengehen und Meeresluftschnuppern ein. Zufällig traf ich hier auf Leute, die ich bereits in Gisborne kennengelernt hatte. Gemeinsam ging es mit Oliver und Alex zum Cape Kidnapper, an dem zahlreiche Tölpel den neuseeländischen Sommer genießen und ihre Brut großziehen. Der Walk (9km oneway) war der bis dahin längste und auch anstrengendste: 30 Grad bei strahelndem Sonnenschein, kein Schatten und immer am Strand entlang. Zur Belohnung gab’s am Abend eine Pizza bei PizzaHut – für fünf Dollar mehr als günstig.






Kapitel 3: Es regnet, es regnet, die Erde wird nass.
Nach dem Stadt- kommt das Landleben. Bei bestem Sommerwetter machte ich mich auf den Weg, um den Urewera National Park zu erkunden. Als die ersten Wölkchen am Himmel auftauchten, freute ich mich noch: ein bisschen Schatten und Abkühlung tun nach der Wärme gut. Als der Regen dann immer stärker wurde und auch nicht mehr aufhören wollte, ärgerte ich mich schon ein wenig. But that’s life. So machte ich es mir nach einer recht anstrengenden Fahrt am Lake Waikaremona in meinem Auto gemütlich. Am nächsten Morgen unternahm ich (nun wieder bei Sonnenschein) eine fünfstündige Wanderung zum Lake Waikareiti, der mit kristallklarem Wasser etwa 600 Meter über dem Meeresspiegel geradezu majestätischen die Landschaft dominiert.


Kapitel 4: Wer hat vergessen, die nicht gefundenen Ostereier einzusammeln?
Der Weg Richtung Norden führte über eine schier nicht enden wollende Schotterpiste: Geröllmassen säumten den Weg, schneller als 40 km/h ging es selten voran. In der Nähe von Rotorua erkundete ich den Rainbow Mountain, bestaunte blubbernde Mud Pools und übernachtete auf einem Campingplatz mit natürlichen Warmwasserquellen: Manchmal ist das Camperdasein nicht das schlechteste.
In Rotorua traf ich Apolo wieder, der inzwischen mit Landsmann Ricardo unterwegs ist. Zu dritt machten wir uns über den Geruch der Stadt lustig (durch die vielen geothermalen Aktivitäten riecht es in Rotorua gelegentlich stark nach Schwefel, was man ganz gut mit dem Geruch nach faulen Eiern vergleichen kann), spazierten durch den Redwoodforest, erkundeten Blue und Green Lake, tranken Wasser aus den Humarana Springs und schlugen uns beim Night Market der Stadt die Bäuche voll.








Kapitel 5: Wie auf dem Festival, nur anders.
Im Cerosene Creek konnte ich mich nach ein paar Tagen ohne Dusche (ja, das Freecampen fordert den ein oder anderen Kompromiss) im warmen Flusswasser entspannen, bevor es am nächsten Tag Richtung Taupo ging. An den Huka Falls amüsierte ich mich köstlich über ein asiatisches Pärchen, bei dem er Fotos von ihr machen musste, während sie Selfies von sich machte. Der Campground unweit vom Stadtzentrum erinnerte mich eher an ein Festival, nur dass die Musik fehlte. Der dauerhaft ansässige Gras-Dealer unterhielt alle mit seinen Geschichten über seine Vergangenheit als Millionär und Supersportler, junge deutsche Backpacker hielten uns mit ihrer Dolby Surround Anlage vom Schlafen ab und schwarze Schwäne fühlten sich von den Horden an Menschen bei der Brut gestört.
Zufällig traf ich hier auf Stuart, der mich in Napier beim Billiardspielen hatte alt aussehen lassen. Zwei Tage später saß ich mit ihm, Dominic und Connor (kannte ich lustigerweise bereits aus Gisborne) in einem Kanu, um 145 km flußabwärts von Taumarunui nach Pipiriki zu paddeln.


Kapitel 6: Eine Bootsfahrt, die ist lustig.
An und für sich ist der Whanganui River alles andere als ein reißende Fluß: Vorbei an Feldern, durch Schluchten und Regenwald bahnt er sich 290 Kilometer seinen Weg vom Mount Taranaki bis zur Tasman Sea. Dennoch schaffte es Connor gleich zweimal, im Wasser zu landen: Die erste Stromschnellen kickte ihn aus dem Boot, während ich mehr oder weniger hilflos in selbigem an einem Stein festhing. Einen Tag später wurde der Abstand zwischen Kanu und Ufer offenbar zu groß, sodass er in Slapstickmanier im Fluß verschwand. Auf dem Weg hielten wir an der Bridge to Nowhere (unternehmt bei Regen niemals eine Wanderung barfuß durch Schlamm und über Stock und Stein – ich spreche aus Erfahrung), bestaunten bei Nacht die Hässlichkeit von Opossum und aßen Unmengen an Süßigkeiten.







Kapitel 7: Mondlandschaften.
Ein Tag Pause musste reichen, um sich waghalsig in ein neues Abenteuer zu stürzen. Gemeinsam mit Stuart stellte ich mich dem Tongariro Alpine Crossing. 19,4 Kilometer (den Walk zum Gipfel des Mount Ngauruhoe – Schicksalsberg bei der Herr der Ringe – mal nicht mit eingerechnet) führt der Track vorbei an Mondlandschaften, Kraterseen und mit ein bisschen Glück auch vorbei an Schneelandschaften. Der Abstieg von Mount Doom war nicht nur wegen des extrem rutschigen Untergrunds spektakulär: Ein britischer Wanderer hatte sich am Fuß verletzt und musste mit dem Hubschrauber gerettet werden. Nach gut zehn Stunden kam ich ziemlich erschöpft aber völlig überwältigt von der Landschaft am Auto an. Nicht ohne Grund ist der Walk einer der beliebtesten des Landes – an extrem geschäftigen Tagen tummeln sich bis zu 1000 Wanderlustige in den luftigen Höhen.








Kapitel 8: Stille Nacht, heilige Nacht.
Über den Forgotten World Highway (Neuseelands ältester Highway) ging es nach New Plymouth. 155 Kilometer ohne Tankstelle, eine eigenständige Republik (Whangamomona) und noch grünere Hügel, als ich sie zuvor gesehen hatte, ließen die Fahrt zu einem kleinen Abenteuer werden. In New Plymouth gönnte ich meinem Auto nach einem halben Jahr die erste Wäsche, TÜV und eine kleine Reparatur des Auspuffs. Mir selbst schenkte ich einen Besuch in der Kunstsammlung, eine Wanderung durch den Park und ein bisschen Gypsy-Flair auf einem kleinen Hippie-Festival.
Als ich mir am Abend den Sonnenuntergang über dem Meer angucken wollte, riss mich weihnachtliches Glockenspiel geradezu aus der melancholischen Stimmung. In einer Straße unweit von dem Parkplatz, auf dem ich die Nacht verbringen wollte, blinkten und glitzerten alle Häuser in jeder nur vorstellbaren Farbe. Menschen fuhren in ihren Autos Schleife, um sich das Schauspiel anzusehen. Als Weihnachtsmänner verkleidete Sänger trällerten fleißig ein Weihnachtslied nach dem anderen. Lange dauerte es nicht, bis ich mit einem Getränk ausgestattet und für den Weihnachtstag zum Frühstück mit einer Kiwi-Familie eingeladen wurde. Der Plan, die Feiertage in Whanganui zu verbringen, muss glaube ich noch einmal geändert werden.







