
Tonga war nicht nur anders, sondern auch (unerwartet) teuer. Deshalb muss ich Geld verdienen, zumindest ein bisschen. In Australien geht das ziemlich gut, ausserdem ist es von Tonga aus schnell und (relativ) günstig zu erreichen. Die Beantragung des WHV (working holiday visum) dauerte keine zwei Minuten; nach weiteren 30 hatte ich die Bestätigung im elektronischen Briefkasten. Die Spielregeln sind die selben wie in Neuseeland: Für ein Jahr kann ich ab Einreise in Australien leben und arbeiten, jedoch nie länger als sechs Monate für den selben Arbeitgeber.
Im Flugzeug von Nuku’alofa nach Sydney saß Lucy neben mir: eine gut 50-jährige Dame mit typisch tonganischen Rundungen, einem lieben Lächeln und dem obligatorischen Goldzahn im Mund. Sie habe gerade Verwandte in der Heimat besucht, freue sich nun aber wieder auf Sydney, ihre Kinder und den Mann. Gemeinsam schwärmten wir von der tonganischen Gastfreundschaft, dem guten Wetter und dem noch besseren Essen. Kurzerhand steckte mir Lucy ihre Telefonnummer zu – für den Fall der Fälle und falls ich Hilfe brauchen würde. „Meine Tür in Sydney steht immer für dich offen“, sagte sie zum Abschied.
Brisbane: zurück in die Großstadt
In Sydney wollte ich mich nicht lange aufhalten – immerhin ist in Australien gerade Winter und Sydney zwar nicht unbedingt kalt, aber nach tropischen Temperaturen in Tonga für meinen Geschmack zu kühl. Noch am selben Tag ging es für mich deshalb weiter Richtung Norden, genauer nach Brisbane. Mit knapp 2,4 Millionen Einwohnern ist Brisbane die drittgrößte Stadt des Landes und zugleich Hauptstadt des Bundesstadtes Queensland – dem „sunshine state“. Bisher kann ich dem nur zustimmen: In meinen knapp fünf Wochen in Brisbane hat es gerade einmal an einem Tag von Morgens bis Abends geregnet. Die anderen drei Tage mit leichtem Nieselregen für nicht länger als eine halbe Stunde finde ich kaum erwähnenswert. Ansonsten scheint die Sonne.
Jedenfalls erklärte ich die Stadt kurzerhand zu meinem neuen Zuhause auf Zeit. Im Hostel lernte ich schnell liebe Menschen kennen. Die ersten Tage verbrachte ich mit organisatorischen Kleinigkeiten – Steuernummer beantragen, SIM-Karte kaufen, Überblick verschaffen – und (Wieder)Eingewöhnen in den Großstadtalltag.
Rummel meets Landwirtschaft: die Ekka
Nach etwas mehr als zwei Wochen hatte ich meinen ersten Job in der Tasche: Auf der Ekka, der Royal Brisbane Show sollte ich Hot Dogs, Fritten und Unmengen an Zuckerwatte in einem Food-Truck verkaufen.
Die Ekka kann man sich als eine Mischung aus Landwirtschafts-Show und riesen Rummel vorstellen. Am Vormittag treten Cowboys in Disziplinen wie Lasso-Schnalzen, Schafe von A nach B bewegen oder Dressurreiten gegeneinander an. Am Nachmittag strömen dann mehr und mehr Familien auf das Festivalgelände, um allerlei Kitsch und fettiges Essen zu überzogenen Preisen zu erweben. Die zwölfstunden Schichten zehrten spaetestens an Tag acht des Treibens an meinen Kräften. Das Dauerlächeln (der Kunde ist auch in Australien selbstredend König, egal wie unhöflich er einem begegnet) war dabei weniger anstrengend als der permanent hohe Geräuschpegel.
Nach zehn Tagen war der Spuk vorbei. Auf der Ekka habe ich mehr Hot Dogs, Zuckerwatte (Eimerweise!), Slushis (ziemlich süße Limonade versetzt mir Eis) und kandierte Äpfel verkauft, als ich es mir in meinen kühnsten Träumen hätte ausmahlen können; entsprechend habe viele von Karies befallene Zähne gesehen, dass es mir jedes Mal eiskalt den Rücken runterlief – all die süßen Versuchungen gingen dennoch im Sekundentakt über die Theke. Der Blick hinter die Kulissen war interessant und aufschlussreich – besonders der kleine Einblick in das Leben einer Schaustellerfamilie (Alkohol- und Drogenmissbrauch stehen quasi auf der Tagesordnung). Noch einmal würde ich den Job aber nicht machen wollen.